Wallstein Verlag

Despoten dichten


Sprachkunst und Gewalt

Albrecht Koschorke, Konstantin Kaminskij


Warum haben ausgerechnet Gewaltherrscher oft eine besondere poetische Ader?

Auf welchem gemeinsamen Grund treffen sich Terror und Fiktion?
Welche Verbindung gehen Kunst und Politik ein, wenn die Dichter-Kämpfer zugleich politische Führer sind, die den Staat als Kunstwerk betrachten?

Poetische Herrschaftskritik ist wohl so alt wie die Dichtung selbst, und sie stellt die Kehrseite der wechselseitigen Abhängigkeit von Dichter und Herrscher dar: Der poetische Souverän, der eine Welt aus Worten erschafft, stü(r)tzt den politischen Souverän, der eine Welt aus Taten aufbaut. Elementare Voraussetzung für diese Struktur politischer Ordnung ist die Spaltung von Geist und Macht, die strikte Trennung von Politik und Poesie.
Was passiert nun, wenn Despoten dichten? Dass tyrannische Staatsführung oft mit exzessiver Sprachlust verbunden ist, ist kein Zufall - verspricht doch schon die Verschmelzung von künstlerischer und politischer Sphäre einen einzigen, unumschränkten Herrschaftsanspruch. Mehr noch: Diktatoren sind irreguläre Herrscher, die sich weder von einer namhaften genealogischen Linie herleiten noch aus den Eliten des Landes rekrutieren. Die politische Ordnung, die sie auf ihre Person hin ausrichten, müssen sie selbst erst schöpferisch erzeugen, ihre eigene Welt erfinden. So können sich Despoten als Autoren eines gigantischen Kunstwerks fühlen, das rein aus ihrem Inneren entstanden ist.
Den Hauptteil des Bandes bilden Studien zu dichtenden Despoten des 20. Jahrhunderts. Auf einen einleitenden Essay über Nero folgen Beiträge zu Benito Mussolini, Josef Stalin, Adolf Hitler, Mao Zedong, Kim Il-sung, Muammar al-Gaddafi, Saddam Hussein, Saparmyrat Nyýazow und ein Essay von Slavoj Žižek über Radovan Karadžic. Den Abschluss bildet eine Betrachtung von Boyan Manchev über den Zusammenhang von Romantik, Avantgarde und tyrannischer Poesie.
Konstantin Kaminskij

Konstantin Kaminskij ist akademischer Mitarbeiter am Institut für Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Kulturwissenschaften und Humangeographie in Osteuropa, Russland und Zentralasien.

mehr

Albrecht Koschorke

Albrecht Koschorke ist Professor für Neuere Deutsche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt frühe Neuzeit bis Mitte 18. Jahrhundert an der Universität Konstanz. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Kulturtheorie, ...

mehr




Vor der Familie
Albrecht Koschorke, Nacim Ghanbari, Eva Eßlinger, Sebastian Susteck, Michael Thomas Taylor

€25,90
nach oben