Wallstein Verlag

Ein Rosenkranz von Glücksfällen


Protokoll einer Flucht

Herausgegeben von Erich A. Frey


»Paris, 1. Januar – Um die Mitternachtsstunde des Silvesterabends erzählte ich eine Anekdote. Ilse und ihr Mann waren da. Man lachte Tränen, es war Punkt zwölf, und man lachte weiter. >Ein gutes Zeichen.< - Ich habe immer noch dieses Gelächter im Ohr. Es wird einen gespenstischen Widerhall haben. - Wir schreiben 1940 ...«


So beginnt Jan Lustigs Tagebuch seiner Flucht aus Frankreich über Spanien und Portugal in die USA. Lustig arbeitete damals als Autor für den Regisseur Marc Allégret. Mit dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich mußte er Paris verlassen und floh samt Frau und Hund nach Bordeaux. Sein Tagebuch beschreibt die Schlangen vor Konsulaten, die überfüllten Züge und Bahnhöfe, das zermürbende Warten auf ein Visum in Portugal, die Entbehrungen einer Zeit, in der das Leben von Stempeln abhing. Erst am 12. November konnte er Europa verlassen. Ein Rosenkranz von Glücksfällen ist weit mehr als ein bloßes Notat der Ereignisse das Buch setzt sich mosaikartig aus bildhaften, mit sehr viel Einfühlungsvermögen geschilderten Szenen zusammen. Lustig hat kurz vor seinem Tod noch an dem Text gearbeitet, und der Leser staunt, daß ein Autor, der eine so wunderbar genaue Prosa schrieb, weitgehend unbekannt ist.

Jan Lustig wurde 1902 in Brünn geboren. 1924 zog er nach Berlin, wo er als Journalist arbeitete, u. a. als Feuilletonredakteur des »Tempo«, für das auch Billy Wilder damals schrieb. Die beiden wurden Freunde und wohnten im Pariser Exil im selben Hotel. Wilder schaffte bald den Sprung nach Hollywood, Lustig, der als Drehbuchautor großen Erfolg hatte, blieb – bis es fast zu spät war. In Hollywood schrieb er für MGM. Nach dem Tod seiner Frau Charlotte kehrte er nach Deutschland zurück, wo er Liesl Frank heiratete, die Tochter Fritzi Massarys und Witwe von Bruno Frank. Er schrieb weiter Filme, daneben Feuilletons, und er veröffentlichte einen Band mit Erzählungen.

1979 ist Jan Lustig in München gestorben.
nach oben